Brass | Von Klaus Härtel

Die Schlenkerer spielen bodenständige Blasmusik

Schlenkerer
Die Schlenkerer (Foto: Lisa Schätz)

Wenn Fritz Winter ruft, kommen sie alle. Dann macht man gerne noch einen kleinen Umweg mehr und macht gemeinsam Musik. Und schon ist ein neues Album geboren: “Zamm” von “Die Schlenkerer”. So schnell ging es zwar nicht, aber die Idee dahinter ist genau die. Seit 26. November ist das Werk erhältlich. Wir trafen Fritz Winter und Dominik Glöbl am Ammersee.

Schon im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm kommt er vor: der Schlenkerer. Die Brüder wiederum ­zitieren eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert. Da nämlich hat der Theologe Joachim Westphal das Manifest “Faul Teufel” verfasst, in dem er “wider die faulen müssiggenger, pflastertretter unnd schlenckerer” wettert. Starker Tobak. 

Aus Fritz Winters Mund hört sich ein bisschen freundlicher an. Und das liegt nicht nur am oberbayerischen Zungenschlag. “Ein Schlenkerer ist jemand, der ein bisschen später nach Hause kommt, weil er noch einen Umweg macht, ein bisschen ratscht oder einen Kaffee trinkt.” Die schönen Dinge des Lebens sehe man oft nicht direkt vor sich – sondern dann, wenn man einen Umweg nehme, also einen Schlenkerer macht. 

Die Schlenkerer: Fünf hochrangige Musiker

Auf dem Album “Zamm” unternehmen fünf hochrangige Musiker einen musikalischen “Schlenkerer”. “Du machst den nicht, weil du musst, sondern weil du ihn machen willst”, erklärt Dominik Glöbl, einer der beiden Trompeter des Quintetts. Fritz Winters Ruf folgten neben Glöbl außerdem Jürgen Malterer (Basstrompete und Tenorhorn), Christian Höcher (Trompete und Flügelhorn) sowie Frank Feulner (Tuba).

“Gmiatliche, sehr gute Musik machen” – das ist die Intention von Fritz Winter für die Gründung dieser Fünferbesetzung. Bekanntschaften aus Ensembles wie German Brass, der Kapelle Josef Menzl, den Straubinger Volksfestmusikanten und Dreiviertelblut haben sich sozusagen an einem (Wirtshaus-)Tisch zusammengefunden, um gespielte Lebensfreude in einer Gruppe zu vereinen: Musik, die man gern macht, mit Menschen, die man gern mag.

Fritz Winter tat das vor allem, weil er auch gerne mal “seine” Musik spielen wollte. Er ist “Sideman” bei German Brass und er ist seit 1994 Solo­posaunist am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Natürlich macht er das schon alles gern – trotzdem wollte er einfach mal “aus dem Alltag ausbrechen. Das machen, was Spaß macht!” Einen Schlenkerer eben. 

Für dieses Projekt trommelte Fritz Winter also Musiker zusammen: “Ich suchte Typen, die einfach Blasmusik machen!” Mit diesem vemeintlich schlichten Satz wird sofort klar, welche Idee dahintersteckt. Fritz Winter hebt das Wort “Typen” hervor. Aber genauso wichtig sind die einzelnen Betonungen von “einfach” und “Blasmusik”. Die Besetzung sollte sein: Tuba, zwei Tenorhörner, zwei Trompeten. Fritz Winter kennt die Musiker Jürgen Malterer, Christian Höcherl, Dominik Glöbl und Frank Feulner sehr gut und er hat schon gewusst, “dass man das mischen kann”. Beim ersten Treffen und Kennenlernen habe man schon “sehr viel Respekt, aber eben auch sehr viel Neugierde” gespürt, erzählt Dominik Glöbl. 

Dominik Glöbl bringt den Jazz mit

Glöbl spricht beinahe ehrfürchtig von seinem Trompetenkollegen Christian Höcherl, der “im echten Leben” als Solo-Trompeter bei den Dresdner Philharmonikern spielt. Er nennt ihn einen “Spitzenathleten”. Ob er anfangs Angst hatte? “Ein bisschen schon”, lacht Glöbl. “Das war ja völlig neu für mich. Ich musste schnell die ‘Hosen runterlassen’. Aber ich habe sofort gemerkt, dass es passt. Ich habe meinen Platz gefunden, und durfte ich sein.” Er habe zu Beginn schon gefragt, warum er von Fritz Winter eingeladen worden sei. Er komme ja eher vom Jazz. “Genau”, habe Fritz Winter geantwortet. “Du bringst den Jazz mit!” Genau deshalb ist er dabei. Denn gespielt wird bodenständige Blas­musik, komponiert und arrangiert von den Ensemblemitgliedern selbst. Polkas, Walzer und die ein oder andere jazzige Note finden sich im Repertoire. Kid Ory und Herbie Hancock lassen grüßen.

Schlenkerer
Hier gibts die Noten und die Musik.

In der offiziellen Pressemitteilung heißt es: “Bei jeder neuen Komposition wurde gemeinsam geprobt, gemeinsam probiert und schließlich auf diesem Wege ein gemeinsames Album produziert. Mit ‘Zamm’ kommt zusammen, was Freude macht. Fünf gute Freunde, 14 selbstkreierte Nummern – nuancenreiche Blasmusik in Form einer CD.” Darüber hinaus wird “Zamm” auch als Notenbüchlein erhältlich sein.

Den Lockdown als Chance genutzt

Nun, ganz so einfach war das nicht. Zwei Wochen nach der ersten vielversprechenden Probe kam der Lockdown. Und doch waren alle fünf Musiker nach diesem ersten Treffen Feuer und Flamme. Im Sommer erst traf man sich dann auch abseits der digitalen Medien wieder – mit neuen Titeln im Gepäck. Dass das Musikleben zu der Zeit stark eingeschränkt war, war natürlich nicht schön, doch “das war unsere Chance”, gibt Dominik Glöbl zu. “Wir hätten sonst vermutlich nie zusammengefunden! Jeder hatte viel Zeit, alle waren inspiriert und voller Energie.”

Fritz Winter freute und freut sich, dass seine Idee so gut angekommen ist. Da kann es schon mal vorkommen, dass man mitten in der Nacht um Viertel vor drei eine gesungene Nachricht aufs Mobiltelefon bekommt. Glöbls Begeisterung ist echt: “Das macht Musik doch aus! Diese Freude!” Jeder der fünf Musiker war extrem motiviert, auch für die “Schlenkerer” zu schreiben. Jeder drängte stets auf neue Proben, weil ihm etwas Neues eingefallen war. Also kam man zusammen, probierte aus, ging einen Umweg. 

Was da genau auf dem Tonträger ist, beschreiben Fritz Winter und Dominik Glöbl als “keine Champions-League-Blasmusik”. Das heißt? Die Musik auf “Zamm” sei keinesfalls verkopft, und es sei auch nicht so, dass die eine Sechzehntel die nächste jage. “Es handelt sich schlichtweg um ganz ehrliche Blasmusik mit schönen Melodien”. Dennoch: Technisch und sportlich ist es trotzdem. Fritz Winter nennt es “Unterhaltungsmusik mit einem ernsten Hintergrund”. Die Musiker haben Spaß, aber dennoch ist ihr “klassischer Anspruch” an die Perfektion ungebrochen. Man wolle die Unterhaltungsmusik eben möglichst gut, wenn nicht gar perfekt spielen. Denn, so Fritz Winter: “Schlechte Unterhaltung gibt es schon genug.”

www.schlenkerer.de