Brass | Von Andreas Michel

Die kleinen Fehlerteufelchen! Jupiter-Workshop für hohes Blech

Sie schleichen sich gerne und unbemerkt in unser musikalisches Leben ein – die kleinen Fehler: das Zwicken im Augenwinkel beim Anstoß, die “Sorgenfalte” auf der Stirn bei weiten Bindungen, der unprä­zise gewordene Anstoß, die gezogenen Mundwinkel in der hohen Lage oder eine allgemeine Verkrampfung von Körperhaltung und Gesichtsmuskulatur. Das sind Unarten, die für die Hervorbringung des Tons so gar nicht notwendig, sondern absolut störend sind. Packen wir sie endlich bewusst an!

Ein objektiver Partner hierfür ist der Spiegel. Ohne ihn geht einfach nichts, denn unser Gefühl gibt uns leider keine objek­tive Rückmeldung über unser eigentliches Tun. Während der Übungen ist die Kontrolle im Spiegel – wenigstens zeitweise – eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung unseres Musizierens. Als Student “kommandierte” mich mein Professor Reinhold Lösch umgehend an den Spiegel zur Selbstkontrolle, wenn er bei mir wieder mal so “unnötiges Zeug”, wie er es nannte, entdeckt hatte.

Mit den Jahren schleichen sich ungewollte Fehlerautomatismen ein, die sich wie ausgefahrene Fahrbahnrillen in unser Gedächtnis schneiden und ein “Herauskommen” nur schwer möglich machen. Der Spiegel entlarvt sie schonungslos. 

Reset

Nur mühsam kämpfen wir uns aus diesen Automatismen heraus und es kostet oft mehr Zeit als wir zu investieren bereit sind. Hier hilft nur ein vollständiger Neubeginn, ein Reset, bei welchem unser Fehlerspeicher fragmentiert oder gelöscht wird. Eine perfekte Gelegenheit hierzu sind Übepausen, verursacht durch Ferien, Krankheit, Lockdown, ein hohes Arbeitsaufkommen im Job – oder einfach nur Faulheit. Musiklehrkräfte kennen das Problem, wenn Schüler nach den Sommerferien (sagen wir mal annähernd) wieder von vorne beginnen. Dieser Moment hat durchaus seine Chancen und ist eine willkommene Gelegenheit, sich wieder neu zu “norden”, justieren oder auszurichten – eben ein klassisches Reset unseres Blas- und Spielgefühls.

Locker bleiben, aber mit Struktur

Die Dinge unverkrampft und locker zu nehmen ist eine Grundhaltung, die in allen Lebensbereichen zielführend ist. Wer möchte schon angestrengt musizieren oder arbeiten? Schreiben wir einfach unsere “daily check list” neu und halten wir fest: Keine Macht der Verkrampfung. Diese Maxime muss wieder über allen Tätigkeiten ­stehen. Dazu verhelfen uns musikalisch-gymnastische Übungen. Allerdings stets bei wachem Verstand und hoher Aufmerksamkeit praktiziert (siehe Übung 1).

Tonmaterial
Übung 1

Tonarbeit – Tonkontrolle

Kehren wir zurück zum Luft-Flow und gestalten wir die ersten Töne nach der Pause ganz bewusst ohne Anstrengung und mit Kontrolle des Klangs. Hören wir wieder mehr denn je auf unseren Ton. Öffnen wir unser Timbre und machen wieder Musik. Let it be – mit viel Lufteinsatz. 

Freier Luftfluss ist die Voraussetzung für einen freien und leichten Ton, auch für die hohe Lage. Deshalb stauen wir die Luft nicht nach innen, sondern lassen sie so frei wie möglich strömen – hin zum Zuhörer. Je mehr Luft im Spiel ist, umso mehr Ton werden wir gewinnen. Ohne ­Aerodynamik reißt die Strömung wie bei einem Flugzeug ab. So auch beim Blasinstrument. Strömende Luft garantiert Kontrolle und Tonqualität (siehe Übung 2).

Etüde
Übung 2: Schnelle Bindungen, auch mit Griff “2/3+2” sowie “1/2+0” (siehe Übung 3) im Wechsel praktizieren.

Weniger Mundstückdruck

Ganz ohne Druck geht es sicher nicht. Andernfalls würde die Luft zwischen Lippe und Mundstück als Geräusch entweichen. Die Ansage lautet: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die Armmuskulatur bestimmt letzten Endes den Anpressdruck. Also darf‘s ein bisschen weniger sein. Denn “weniger” ist “mehr”.

Nun weiten wir den Tonumfang aus, indem wir gut darauf achten, dass die Klangcharakteristik mit aufsteigender Linie immer gleich bleibt. In allen Lagen wollen wir entspannt und frei klingen (siehe Übungen 3 und 4).

Etüde Bindungen, verschiedene Tonarten
Übung 3
Etüde
Übung 4: Bitte immer Tonqualität kontrollieren.

Bindungen

Ausgehend vom Zwerchfell (genannt Stütze) tragen wir unsere Bindungen und bauen sie sukzessive nach oben aus. Bitte nie dabei vergessen: Unsere besten Freunde sind eine gute Luftführung und ein freier Ton. 

Und der Anstoß?

Wie bei den Bindungen muss der Anstoß, der im eigentlichen Sinne ein “Rückstoß” ist, da die Zunge zurückgezogen wird, leicht, präzise und bewegungsreduziert ablaufen. Nachfolgende Etüde (siehe Übung 5) bitte flink und leichtfüßig praktizieren nach dem Motto “weniger ist mehr”.

Etüde
Übung 5

Die Pause als Chance für eine Neuausrichtung

Die Pause ist ein lebenswichtiges Element unseres Daseins, da wir ohne Pausen untergehen würden. Das Wiedererlangen neuer Energien nach vorangegangener Anstrengung ist ein Prinzip des Lebens: Anstrengung – Entspannung, Tag – Nacht, wachsein – schlafen. Die Pause ist unsere Chance zur Neuausrichtung, nutzen wir sie!

info@andreas-michel-musiker.de

www.jupiter.info

Andreas Michel

Andreas Michel ist JUPITER-Coach für hohes Blech. Er ist ein hochgeschätzter klassischer Trompeter und absolvierte sein Studium an der Musikhoch­schule in Heidelberg-Mannheim mit dem Abschluss Dipl.-Orchestermusiker. Er nahm unter anderem Konzerttätigkeiten in folgenden ­Orchestern an: Nationaltheater Mannheim, Freie Kammersinfonie ­Baden-Württemberg, Trompetenensemble ARTA, Philharmonie Baden-Baden, Staatstheater Stuttgart, Staatstheater Karlsruhe, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Orchesterakademie unter Professor Helmuth Rilling. Darüber hinaus ist er Musikschulleiter der Jugendmusikschule Pforzheim.