Brass, Orchestra, Wood | Von Doris Angerer und Peter Laib

Mentalcoaching: Ich kann meine Gedanken beeinflussen

Mentaltraining

Mentales Training ist heute auch für ­Mu­sikerinnen und Musiker ein großes Thema. Die Mentalcoaches Doris Angerer und Peter Laib zeigen praktische Techniken auf, mit denen schwierige Situationen im musikalischen Alltag bewältigt werden können. In diesem Beitrag geht es um “positive Gedanken”.

Christian (38) an Doris und Peter: 

Ich bin begeisterter Amateurmusiker und möchte in meinen Konzerten so gut wie möglich spielen. Mir ist aufgefallen, dass ich gerade vor Konzerten, in denen ich auch mal Solostellen zu spielen habe, mir total viele Gedanken mache. Meistens sind sie negativ und dann gehen mir so Dinge durch den Kopf wie “Hoffentlich verzähle ich mich nicht.”, “Was ist, wenn ich den Ton nicht treffe?”, “Konzentriere dich doch endlich.”, “Voll peinlich, wenn ich einen Fehler mache.” usw. Und welch eine Überraschung, einige dieser Gedanken werden Realität. Habt ihr Zwei einen Tipp für mich, wie ich meine Gedanken in den Griff bekommen kann?

Lieber Christian, 

danke für deine Frage. Sie ist ganz bestimmt für viele LeserInnen interessant. Wunderbar, dass du so achtsam mit dir bist, dass du ganz konkret ausmachen kannst, dass deine negativen Gedanken dich “beherrschen” und sich auf dein Handeln auswirken. Gerade diese natürlichen und automatischen Wechselwirkungen von Gedanken (Wörter & Bilder) – Gefühlen (positiv & negativ) – Körper (Erleben & Verhalten) machen wir uns im Mentalcoaching zu nutzen, zum Erreichen des individuellen Coachingziels. Das von uns später beschriebene Mental Dope wird bei den Gedanken ansetzen und so kann ein positiver Kreislauf in Gang gesetzt werden.

Bevor es ans Praktische geht, ist es uns wichtig, dir etwas theoretisches Hintergrundwissen zu geben. Wir finden, es ist wichtig zu wissen, wie wir Menschen so funktionieren und ticken.

Wie ist unser Gehirn aufgebaut und wie funktioniert es?

Ein einfaches und sehr anschauliches Modell des Gehirns stammt von Gerald Hüther – das Zwiebelschalenmodell. Er sagt, der Aufbau des Gehirns kann mit einer Zwiebel verglichen werden, die aus verschiedenen Schichten besteht.

Die innerste Schicht bzw. der innerste Kern ist das Stammhirn oder auch Reptiliengehirn genannt. Es ist physiologisch tatsächlich im Inneren des Schädels und das älteste Hirnteil des Menschen. Dort sind Reflexe, Instinkte und die Steuerung körperlicher Abläufe (Verdauung, Atmung etc.) verankert.

Die nächste Schicht ist das limbische System. Es liegt physiologisch über dem Stammhirn und ist entwicklungstechnisch gesehen jünger als das Stammhirn. Dieser Teil des Gehirns ist für Gefühle, Stimmungen, Emotionen, Anpassungsreaktionen und Ausdrucksverhalten zuständig.

Die oberste Schicht ist die Großhirnrinde (Cortex). Sie liegt physiologisch über dem limbischen System und damit am nächsten zur Schädeldecke und ist der jüngste Teil unseres Gehirns. Der Cortex ist der Sitz unseres Bewusstseins, das heißt, er ist für jene Hirnfunktionen zuständig, die wir bewusst steuern können – Denken, Sprechen, bewusste Bewegungen, Handlungsplanung, bewusstes Erleben und Kosten-Nutzen-Analyse.

Sind wir Menschen ausgeglichen, dann haben wir auf alle diese drei Gehirnschichten Zugriff beziehungsweise diese greifen automatisiert ineinander.

Wie entstehen automatisierte Gedanken?

Stehen wir Menschen unter Stress bzw. kommen wir in stressige und überfordernde Situationen, dann steigt unser Erregungsniveau an. Der Körper reagiert unter anderem mit gesteigertem Herzschlag, gesteigerter Atemfrequenz, schwitzen und muskulärer Anspannung.

Zeitgleich sorgt diese Erregung, wenn sie ein bestimmtes Niveau überschreitet, dafür, dass der Cortex/die Großhirnrinde sich ausschaltet, das heißt, das bewusste Steuern unserer Gedanken, unseres Handelns, unseres Erlebens ist schlicht und ergreifend nicht mehr möglich. Das limbische System übernimmt die Steuerung, wir werden beherrscht von Gefühlen und Emotionen. Ein möglicher Ausdruck dieses Zustandes ist die “Überflutung”« mit negativen Gedanken, man spricht auch von Gedankenrasen.

Wie können diese Gedanken verändert werden?

Eine Möglichkeit, diese Gedanken auch langfristig zu verändern, ist sich mit diesem Automatismus außerhalb der stressigen Situation zu beschäftigen. Denn Lernen ist nur möglich, wenn wir ausgeglichen sind und damit Zugriff auf unseren Cortex haben.

Unser Handeln und Agieren wird immer durch Gedanken und Selbstgespräche begleitet. Sind diese inneren Texte destruktiv, vielleicht sogar abwertend, dann hat das negative Konsequenzen auf unser Erleben und Verhalten. Es ist also notwendig, sich diese inneren Texte bewusst zu machen, sie auf ihre Konstruktivität (hilfreich/nicht hilfreich) zu überprüfen und sie so zu verändern, dass sie positiv und unterstützend sind. Es gilt dann den neuen inneren Text regelmäßig zu üben, damit die Chance steigt, dass er in herausfordernden Situationen abgerufen werden kann.

Praktische Anleitung : Dein “Mental Dope” in dieser Situation

Wenn du dich gedanklich mit deiner Auftritts­situation beschäftigst, dann…

  1. Führe dir diese eine Situation genau vor Augen! Lass sie sehr genau vor deinem inneren Auge ablaufen, damit du klare Bilder und Gefühle für diese Situation hast.
  2. Mach dir deinen inneren Text bewusst und schreibe ihn auf! Dieser Schritt soll dir helfen, dir der negativen Auswirkungen dieser Gedanken bewusst zu werden.
  3. Verändere deinen Text! Forme ihn so um, dass er klar, positiv, unterstützend, stärkend und handlungsfördernd für dich ist. Das bedeutet, dass Wörter wie »kein« und »nicht« keinen Platz haben.
  4. Lass die Situation mit dem positiven Text vor deinem inneren Auge ablaufen! Stell dir diese konkrete Situation vor und wiederhole das täglich.

Integriere diese Mentaltechnik in deinen Alltag!

Wenn du deine Stimme für ein konkretes Konzert übst, dann sage dir deine positiven und hilfreichen Sätze vorher laut vor und achte darauf, dass du die damit einhergehenden guten Gefühle (z. B. Freude, Leichtigkeit, Lockerheit) wahrnimmst und gut spürst. Halte dir die natürlichen Wechselwirkungen vor Augen: Unsere Gedanken beeinflussen unsere Emotionen und unseren Körper.

Vielleicht kannst du dir auch vorstellen, dieses Mental Dope für andere Situationen zu nutzen. Überlege dir beispielsweise drei positive hilfreiche Sätze fürs alltägliche Üben. Welche Gedanken würden dich unterstützen, bevor du mit einer Übe-Einheit startest? Lass dich überraschen, was das mit dir macht, wenn du mit bewussten positiven Sätzen, die du dir am besten laut aussprichst, ins Üben startest.

Die Autoren 

Doris Angerer arbeitet als Psychologin (MSc.) im FrauenTherapieZentrum München. Als selbstständiger Mentalcoach hat sie sich auf Sorgen und Ängste von Peak-Performern spezialisiert.

Peter Laib, Mentalcoach (MSc.) für Musikerinnen und Musiker, Diplom-Musiklehrer, Sousafonist bei “Moop Mama” und Tubist bei “Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original”.

Bist auch du in einer Situation, in der “Mental Dope” von großem Vorteil wäre? Dann schreib uns eine E-Mail an mentaldope@brawoo.de

(Fotos: Hagen Schnauss, Felix Steiner)