Seit Herbst letzten Jahres ist Michaela Butz Solo-Klarinettistin im Polizeiorchester Bayern. Nachdem sie diese Stelle zuvor schon in den Sinfonieorchestern des Stadttheaters Pforzheim und des Staatstheaters Augsburg innehatte, kehrt sie nun ins Blasorchester zurück. Back to the Roots! Wir trafen die Klarinettistin im Orchesterbüro des Polizeiorchesters Bayern auf dem Gelände der Bayerischen Bereitschaftspolizei in München.
Frau Butz, beim Polizeiorchester Bayern sind Sie sozusagen “Back to the Roots”. Denn Sie kommen ja ursprünglich aus dem Blasorchesterbereich …
Ich bin in einer Blasmusikfamilie aufgewachsen. Das Dorf, aus dem ich komme, hat 700 Einwohner und einen Musikverein mit rund 65 Musizierenden. Der Musikverein Roßwangen, ein Stadtteil von Balingen, ist schon ziemlich groß und spielt in der Höchststufe. Mein Großvater war Dirigent dort, mein Vater spielt Flügelhorn, mein Patenonkel Tenorhorn und mein Onkel spielte Klarinette. Da kommt man als Kind unweigerlich recht schnell mit der Blasmusik in Kontakt. Das war für mich der Weg zur Musik.
Balingen liegt im Zollernalbkreis, Baden-Württemberg und dort ist das Musikvereinswesen sehr populär. Dort ist man im Musikverein oder im Sportverein oder beides. Wann haben Sie darüber nachgedacht, Musik auch beruflich machen zu können?
Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Man macht Musik, nimmt erfolgreich an Wettbewerben teil und wächst dann da hinein. Über eine Freundin, die diesen Weg schon gegangen war, habe ich den Weg an die Hochschule gefunden. Sie gab mir den Tipp, parallel zur Schule schon an die Hochschule zu gehen. Auch von meinem Lehrer damals gab es eine Empfehlung. Die eine Initialzündung gab es so nicht, es war eher ein Prozess. Wettbewerbe wie “Jugend musiziert” tragen natürlich ihr übriges dazu bei und sind große Motivationsschübe.
Der Weg, den Sie dann eingeschlagen haben, führte ins Sinfonieorchester, richtig?
Ja, das ist im Prinzip der gängige Weg, auf den wir im Studium hinarbeiten und so war es auch bei mir. An den Theatern konnte ich dann wichtige Erfahrungen in verschiedenen Bereichen sammeln: Oper, Operette, Sinfoniekonzerte, Musicals … Der Weg zum Polizeiorchester ist nun tatsächlich auch ein Weg zurück zu den Wurzeln. Ich habe mich sofort wie zu Hause gefühlt. Jahrelang habe ich das nicht mehr gemacht. Ich kam hier hin und habe gemerkt, dass das einfach meins ist. Es liegt mir irgendwie im Blut. Hier fühle ich mich wohl.
Michaela Butz
erhielt ihren ersten Klarinettenunterricht im Alter von 8 Jahren. Nach Regional-, Landes- und Bundespreisen beim Wettbewerb »Jugend musiziert« und einem Vorstudium an der Hochschule für Musik in Karlsruhe wechselte sie für ihr Studium an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Im Anschluss an ihr Studium war sie bis 2015 als Solo-Klarinettistin der Badischen Philharmonie am Stadttheater in Pforzheim engagiert. Ebenfalls als Solo-Klarinettistin musizierte sie ab Januar 2022 im Zeitvertrag bei den Augsburger Philharmonikern am Staatstheater Augsburg.
Sie wirkte außerdem als Instrumentalpädagogin an der Musikschule und am Musischen Gymnasium in Schrobenhausen, sowie als Dozentin bei Seminaren des Blasmusikverbands Zollernalb. Als »DUO M« veröffentlichte sie gemeinsam mit Michael Wurzer im November 2021 ihre erste CD mit dem Titel »!Vamos!« in der Besetzung Klarinette und Bassklarinette. Michaela Butz ist seit Oktober 2022 Solo-Klarinettistin des Polizeiorchesters Bayern.
Kannten Sie das Polizeiorchester Bayern?
Ja, ich war vorher schon mehrmals bei Konzerten und war immer total begeistert. Ich habe dann die Ausschreibung gelesen und wollte mein Glück versuchen. Ich habe mich beworben, bin eingeladen worden und konnte mich durchsetzen. Zum Probespiel kamen elf Klarinettisten, im Vorfeld hatten sich wohl einige mehr beworben.
So eine Situation kann auch einschüchternd sein. Wie sind Sie mit der Drucksituation umgegangen?
Ja, die Probespielsituation ist schon besonders. Statt dem Blick auf das Publikum hat man einen Vorhang vor sich. Auch die Akustik ist erstmal neu und ungewohnt. Die Anforderungen sind ebenfalls sehr hoch. Mir ist es zum Glück leicht gefallen an dem Tag. Vor und während der ersten Runde war ich noch sehr nervös. Danach ist die Anspannung von mir abgefallen. Ab der zweiten Runde habe ich dann echten Kampfgeist entwickelt und wollte es durchziehen.
Haben Sie sich explizit mental vorbereitet? Es gibt ja Mental Coaches, die einen speziell auf Probespielsituationen vorbereiten.
Ja, ich habe mich schon intensiv auf die Situation vorbereitet. Es braucht eine gute innere Ausrichtung – und die will geschult werden. Da habe ich in den letzten Jahren sehr viel gemacht an innerer Arbeit, natürlich auch mit Unterstützung von außen. Das ging auch über den rein mentalen Bereich hinaus. Mit der richtigen Herangehensweise können Probespiele sogar richtig Spaß machen. Das war in Pforzheim so, in Augsburg und am Ende auch in München.
Wichtig ist vermutlich zu wissen, dass man die Musik, die zu spielen ist, gut kennt und diese auch drauf hat, oder?
Das ist richtig. Hier beim Polizeiorchester war die Situation diesbezüglich speziell, weil in den ersten beiden Runden ausschließlich Blasorchester-Literatur auf dem Notenständer lag. Und das lernt man im Studium wirklich überhaupt nicht. Das ist eine besondere Herausforderung und war auch schwieriger, als wenn man in der ersten Runde das Mozartkonzert spielt, das man schon 20-mal in anderen Probespielen trainiert hat.
Was mussten Sie denn spielen?
Los ging es mit dem Allegro vivo-Teil aus “Armenischen Tänze”, dann kam die Kadenz und Anschlussmelodie aus “Leichte Kavallerie”. Danach “Molly on the Shore“, auch eine sehr technische Stelle im Staccato über eineinhalb Seiten. Dann der Anfang, das Glissando, von “Rhapsodie in Blue”. In der zweiten Runde war auch etwas Swing aus der “West Side Story” dabei und ein “Bulgarischer Tanz” in ungerader Taktart. In der 3. Runde kamen dann “klassische” Orchesterstellen, die man im Studium einstudiert. In der 4. Runde wurde ich bei Mozarts und Webers Klarinettenkonzerten am Klavier begleitet. Das Probespiel war also genremäßig sehr breit gefächert, um eine klangliche und stilistische Vielseitigkeit zeigen zu können.
Am 6. Oktober fand dann das allererste Konzert als neues, festes Orchestermitglied statt. Wie war’s?
Das war ein tolles Erlebnis! Mein erstes Konzert fand genau an dem Ort statt, an dem ich zuvor die Sinfoniekonzerte mit den Augsburger Philharmonikern gespielt hatte: im Kongress am Park in Augsburg. Ich war also bei meinem ersten offiziellen Konzert auf der selben Bühne, jedoch mit neuem Orchester und in neuer Position. Auf dem Programm standen an diesem Abend neben der “Fanfare for the Common Man” die Orgelsinfonie von Saint-Saëns in der Blasorchesterbearbeitung und das Gulda-Cellokonzert mit Martin Rummel als Solisten.
Was empfinden Sie denn als den Haupt-Unterschied zwischen Blas- und Sinfonieorchester? Abgesehen davon natürlich, dass die Streicher fehlen…
Ich liebe den warmen Klang des Blasorchesters und genieße es sehr, in dieser Klangwolke zu sitzen. Im Gegensatz zu meinen Anstellungen im Sinfonieorchester habe ich hier auch einen neuen Platz: den der Konzertmeisterin. Ich habe eine komplette Klarinettengruppe, mit der ich gemeinsam musiziere. Im Sinfonieorchester sind wir zu zweit oder zu dritt, bei großen Besetzungen maximal zu fünft. Aber hier sind wir neun. Und das ist ein anderes Spielgefühl. Ich habe Partner links neben mir und auch hinter mir. Es geht darum, ein Gefühl für die Gruppe zu entwickeln und die anderen dort zu führen, wo es nötig ist. Das ist, neben der anderen Literatur, der Hauptunterschied.
Was genau machen Sie als Konzertmeisterin?
Von außen betrachtet bin ich diejenige, die als erste aufsteht, wenn der Dirigent auf die Bühne kommt und der stellvertretend für das Orchester die Hand gegeben wird. Ansonsten bin ich so etwas wie ein Bindeglied zwischen dem Dirigenten und dem Orchester. Auch, wenn es musikalisch etwas zu besprechen gibt. Meine musikalische Aufgabe während des Musizierens erfülle ich viel über meine Körpersprache. Ich nehme auf, was der Dirigent zeigt, und »übersetze« noch einmal für meine Gruppe. Das Orchester hat somit auch einen Blick auf mich.
Also auf Sie schaut man dann, wenn der Dirigent mal keinen so guten Tag hat?
(lacht) So ist es. Man würde in diesem extremen Fall dann auf mich schauen.
Ist das aber auch eine Typ-Frage?
Ich denke schon. Das muss man auch wollen. Zum Glück ist das voll mein Ding! Es hilft, wenn man Freude daran hat, andere mitzunehmen und entsprechend mit Überzeugung voranzugehen.
Wie ist das mit dem Repertoire? Wie ist das im Polizeiorchester Bayern mit Prof. Johann Mösenbichler? Tauscht man sich aus? Wird über Stückauswahl diskutiert?
Das gibt es schon. Gerade bin ich auch zum Beispiel im Austausch mit ihm, weil ich demnächst ein Solokonzert spielen darf. Da nimmt er meine Vorschläge gerne an und möchte das Stück auch so auswählen, dass es für mich als Solistin passt.
Haben Sie Lieblingsliteratur?
“Music for Festival” von Philip Sparke haben wir schon gespielt, das finde ich ganz toll. “Windows of the World” von Peter Graham ist im Programm, das kannte ich noch nicht, das ist ein super Stück. Die Filmmusiken von John Williams sind auch immer wieder in unserem Programm dabei und sind jedes Mal ein Erlebnis.
Gibt es Werke, die Sie gerne mal im Blasorchester spielen würden?
Nein, da bin ich offen für alles. Es gibt natürlich viele gute Transkriptionen von Sinfonieorchesterstücken. Aber grundsätzlich gibt es auch speziell für Blasorchester so viel Originalliteratur, dass ich das gar nicht immer als notwendig erachte.
Das könnte ja auch mal umgekehrt passieren, also dass Sinfonieorchester Blasorchester-Literatur spielen.
Das wäre eine lustige Idee (lacht). Es herrschen ja über Blasorchester immer noch viele Klischees. Manche denken, dass wir die Polizeiausbildung machen müssen, den ganzen Tag in Uniform rumrennen und nur Konzerte im Freien haben und Märsche spielen. Völlig abwegig oft, aber das Image wandelt sich die letzten Jahre zum Glück immer mehr.
Wie, Sie gehen nicht auf Streife?
(Beide lachen) Früher kamen die Musiker tatsächlich aus den eigenen Reihen. Heute sind wir in der glücklichen Lage, dass wir studierte Musiker haben. Wir müssen daher nicht auf Streife. Für alle vermutlich auch besser so. (lacht)
Sie nennen sich selbst auch “leidenschaftliche Pädagogin”. Wie sieht es denn damit nun zeitlich aus?
Im Moment konzentriere ich mich hauptsächlich auf meine musikalischen Projekte. Dazu gehören neben dem Polizeiorchester auch ein Klarinettenduo und Engagements in Augsburg oder in Ulm am Theater. Das ist zeitlich gut miteinander zu vereinbaren.
Und die Abwechslung ist super. Denn wenn ich woanders gespielt habe, komme ich wieder mit einem neuen Blick hierher. Man hört neu zu und bringt neue Erfahrungen mit und wächst daran. Diese Vielfalt bringt mich weiter und fördert meine musikalische Entwicklung.
Haben Sie Wünsche für die Zukunft?
Mitte November waren wir auf Konzertreise in Wien. Gerne würde ich wieder mal eine solche Reise unternehmen. Es würde mich zudem freuen, wenn wir noch mehr in die großen Konzerthäuser kämen – in die Meistersingerhalle oder die Isarphilharmonie etwa.
Ansonsten freue ich mich, wenn im Orchester weiterhin ein so gutes Miteinander herrscht. Wir haben eine super Atmosphäre und eine hohe Motivation.
Himmlische Klangfarben
heißt das aktuelle Album, dass das Polizeiorchester Bayern mit der Sopranistin Caroline Adler auf genommen hat. Das Polizeiorchester Bayern hatte sich unter der Leitung seines Chefdirigenten Prof. Mösenbichler für die neueste CD-Produktion viel vorgenommen. Unter dem Titel »Himmlische Klangfarben« sollte ein Tonträger entstehen, der alle Facetten eines sinfonischen Blasorchesters – vom zarten und einfühlsamen Lento bis zum majestätisch pulsierenden Presto – erlebbar macht. Gemeinsam mit der Sopranistin Caroline Adler, Solistin am Gärtnerplatztheater München, entstand ein Werk, das diese Erwartungen übertroffen hat.
Die Werke wurden innerhalb einer arbeitsintensiven Woche im Probesaal des Polizeiorchesters aufgenommen. Eine echte Herausforderung und Belastungsprobe, da das Orchester seit März 2020 nur bei einer einzigen Gelegenheit die Möglichkeit hatte, in voller Besetzung zu spielen. In der Coronazeit hatte das Orchester nur in kleineren Ensembles proben und auftreten dürfen. Das vielmonatige Spiel in Kleingruppen hatte jedoch einen unglaublich positiven Effekt: die einzelnen Stimmen fügten sich bei der Aufnahmesession in noch nie dagewesener Präzision, Präsenz und Klarheit zu einem runden und facettenreichen Gesamtklang zusammen.
Sinnbildlich für die ganze CD steht der erste von zehn Tracks: John Mackeys Komposition »Sacred Spaces« aus dem Jahr 2019 feiert Räume, die den Menschen auf ganz persönliche Art heilig und in deren Leben elementar sind. Mackey lässt dabei ganz bewusst offen, ob dies für den Hörer spirituelle Stätten sind oder profane Orte mit besonderer Bedeutung und Atmosphäre. Den Stücken »All Stars are Love«, »Voices Carry«, »Song to the Moon«, »Goodnight Moon« und »Amazing Grace« verleiht Caroline Adler eine ganz besondere Wärme. Wie alle CDs des Polizeiorchesters Bayern ist »Himmlische Klangfarben« ein Tonträger für den guten Zweck: Wer bei einem Konzert des Polizeiorchesters eine CD kauft, unterstützt automatisch mit dem Erlös den Benefizzweck des Konzertes.
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