Das Sarrusofon. Auf zwei Weltausstellungen (1878 und 1885) wurde es vorgestellt, Adolphe Sax zog dagegen vor Gericht, Maurice Ravel verwendete es in mehreren Werken.
Den seltsamen Namen verdankt das Sarrusofon einem Monsieur Sarrus [Sarrüh], der bei einem französischen Infanterieregiment für die Militärmusik zuständig war. Dieser Pierre-Auguste Sarrus (1813 bis 1878), selbst Klarinettist, nahm 1854 am Krimfeldzug und 1860/61 am Syrienfeldzug teil. Später bekam er den Orden der Ehrenlegion. Angeblich wünschte sich Sarrus ein Instrument, das in den Militärkapellen Oboe und Fagott ersetzen sollte – stärker im Ton als diese, einfacher in der Spieltechnik (ohne Halbloch- und Gabelgriffe).
Der Instrumentebauer Pierre-Louis Gautrot entwickelte daraufhin das Sarrusofon und meldete es 1856 zum Patent an. Der Metallkorpus, die konische Bohrung, die 18 Klappen und das Griffsystem waren unverkennbar vom Saxofon inspiriert. Dessen Erfinder, Adolphe Sax, klagte daher mehrfach auf Patentverletzung, allerdings vergeblich – der Ton der beiden Instrumente war einfach zu verschieden. Denn das Sarrusofon wurde mit doppeltem Rohrblatt angeblasen und klang ausgesprochen brummig, rau und heiser.
Sopran, Alt, Tenor
Gebaut wurde es in sechs, später neun Größen, die ebenfalls weitgehend dem Saxofon entsprachen. Sopran in B, Alt in Es, Tenor in B usw. Das Sopran-Sarrusofon hat eine gestreckte Form, Alt und Tenor sind dagegen einmal um 180 Grad geknickt (wie die Ophikleide), die tieferen Instrumente sind dreimal geknickt. Dabei ist der Schalltrichter ganz oben – so wie bei Eufonium oder Tuba.
Eine spätere saxofonförmige Variante wurde als Rothfon bekannt. Bei Spielhaltung, Handlichkeit und Gewicht des Sarrusofons nahm man Rücksicht auf die Bedürfnisse der Marschmusik. Selbst in der Kontrabassgröße soll das Instrument noch leichter sein als ein Baritonsaxofon. Dennoch konnte sich das Sarrusofon nicht durchsetzen. Sein herber, kratziger Ton war keine wirkliche Alternative zur viel weicheren Oboe. Man hat es später zwar auch mit einfachem Rohrblatt gespielt – dann aber klang es fast wie ein Saxofon und wirkte überflüssig.
Am erfolgreichsten waren die drei Kontrabassgrößen in Es, C und B, wobei das B-Instrument einen Ton tiefer reicht als ein Klavier und damit eigentlich schon ein Subkontrabass ist. Vor allem das Es-Kontrabass-Sarrusofon wurde um 1900 häufiger nachgefragt. Französische Komponisten wie Debussy, Dukas, Massenet oder Ravel schrieben es in ihre Partituren. Die berühmteste Sarrusofon-Stelle dürfte dabei der Beginn von Dukas’ “Zauberlehrling” sein.
Auch das Militär
Auch das französische Militär benutzte das Es-Kontrabass-Instrument – daher wollte 1921 die U.S. Army ebenfalls 148 Exemplare davon haben. Diese Instrumente, hergestellt von Conn, geistern bis heute durch die amerikanische Musikszene. Anders als das Saxofon wurde das Sarrusofon technisch nicht weiterentwickelt und wurde dann von der französischen Bassklarinette aus den Marschkapellen verdrängt. Die Sarrusofon-Partien in der Konzertmusik spielt man heute zumeist auf dem Kontrafagott.
Für kuriose Cameo-Auftritte ist das Sarrusofon allerdings immer wieder gut. Legendär ist eine Jazzaufnahme von 1924 (“Mandy, Make Up Your Mind”), in der der Saxofonpionier Sidney Bechet ein Solo auf dem Es-Kontrabass-Sarrusofon improvisiert – vermutlich mit einfachem Rohrblatt. Der Studiomusiker Earl Dumler blies das Instrument um 1972 wiederholt beim Rock-Sardoniker Frank Zappa, nachzuhören auf den Alben „Waka/Jawaka“ und „The Grand Wazoo“.
In dem Film-Western “Tombstone” (1993) hat der amerikanische Komponist Bruce Broughton das Kontrabass-Sarrusofon ausführlicher eingesetzt, gespielt vom Studio-Oboisten Tom Boyd. Und auch einige Multi-Instrumentalisten unter den Jazzbläsern versuchen sich immer mal wieder am Sarrusofon, darunter James Carter, Gerald Oshita, Lenny Pickett, Scott Robinson und Paul Winter.
Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert