Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Der Dämpfer. Das Stichwort.

Dämpfer
Foto: Petra Klawikowski - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61516761

Bei Geigen (“con sordino”) und Klavieren (Dämpferpedal) ist ihr Einsatz üblich. Bei Holzbläsern haben sie sich nicht durchgesetzt – wegen der instabilen Tonabstrahlung. Der Klassiker aber sind die Dämpfer für Trompeten und Posaunen. 

Schon vor Jahrhunderten wurden Trompeten “gedämpft”, um sie – etwa in kleinen Räumen – etwas leiser zu machen. Zu diesem Zweck führte man einfach ein Holzstück in den Schalltrichter ein. Allerdings hatte das den Nebeneffekt, dass sich die Tonhöhe veränderte, und zwar um etwa eine kleine Sekunde. Das wussten auch die Hornisten im 18. Jahrhundert und nutzten es, als sie ihre manuelle “Stopftechnik” entwickelten. Um die Naturhörner chromatisch spielbar zu machen, genügte ihnen ein Kunstgriff mit der Hand in den Trichter. Nur kam es dann zum umgekehrten Nebeneffekt: Das gestopfte Horn klingt “gedämpft”, nämlich sanfter, geheimnisvoller, romantischer. Als das Waldhorn endlich Ventile erhielt und die Stopftechnik unnötig wurde, vermisste so mancher Komponist und Dirigent den interessanten “Stopf-Klang”. Heute benutzen Hornisten für diesen Sound eigens einen Stopfdämpfer.

Als um 1900 die ersten “serienmäßigen” Dämpfer für Blechbläser aufkamen, dachte man erst mal nur an die Dämpfung der Lautstärke, nämlich die der Tuben. Im aufgeschwollenen Orchesterapparat waren die Tubaspieler oft zu dominant. Noch heute empfehlen Bigband-Fachleute, es doch mit Dämpfern zu versuchen, wenn zum Beispiel die Posaunen in der Klangbild-Balance etwas zu laut sind. Ihren Siegeszug im 20. Jahrhundert erlebten die Dämpfer dann aber vornehmlich wegen des Klangfarben-Effekts. Dämpfer dämpfen nämlich nicht so sehr den Gesamtschall als vielmehr bestimmte Frequenzen. Genauer gesagt: Sie schwächen einen Oberton­bereich ab und verstärken einen anderen – und verändern so den Klang. Der Cup-Dämpfer fördert besonders die Frequenzen zwischen 800 und 1200 Hertz, der Harmon-Dämpfer die zwischen 1500 und 2000 Hertz, der Spitzdämpfer die über 1800 Hertz. 

Der Spitzdämpfer

Der Spitzdämpfer ist der Regelfall im klassischen Orchester – nicht nur die Form ist spitz, auch der Ton. Der Cup-Dämpfer mit seiner zusätzlichen Kegelschale macht einen deutlich weicheren, dumpferen Klang. Ein geschlossener Resonator ist der Harmon-Dämpfer, das heißt: Er lässt keine Blasluft an sich vorbei. Deshalb dämpft er die Lautstärke sehr stark und eignet sich für das Spiel ganz nahe am Mikrofon. Allerdings kann er in den Höhen unangenehm schrill werden. Sein Name hat übrigens nichts mit dem Wort “Harmonie” zu tun, sondern mit einem Mister Harmon, der die Entwicklung dieses Dämpfers finanzierte und 1925 am Patent beteiligt wurde.

Den Harmon-Dämpfer mit ausziehbarem Rohr (“Stern”) nennt man auch Wah-Wah-Dämpfer. Wah-Wah-Effekte ermöglicht ebenso der Plunger-Dämpfer, der aus einem “Klopümpel” entsprang und der mit der Hand vor dem Schalltrichter bewegt wird. Diese “Growl”-Technik schuf um 1930 den “Jungle”-Sound des Duke-Ellington-Orchesters. Ein leeres Schmalztöpfchen wiederum war Vorbild für den Bucket-Dämpfer (Velvetone), der den Trompetenklang hohl und hornartig macht.

Die Trompeten-Dämpfer verdanken ihre Karriere vor allem den Jazzmusikern und ihrer Suche nach immer neuen Klangeffekten. Angeblich hat Buddy Bolden den Plunger Mute erfunden und King Oliver den Bucket Mute. Mithilfe eines Wasserglases oder einer Blechbüchse konnte Oliver sein Kornett “sprechen” lassen – er ahmte auch Tierstimmen oder ein weinendes Baby nach. Ebenfalls von afroamerikanischen Jazztrompetern soll die Idee zum Harmon-Dämpfer gekommen sein. Berühmt gemacht hat ihn schließlich der “coole” Miles Davis. Der Trompeter Ian Carr schreibt: “Der Harmon-Dämpfer kann die feinsten Nuancen der Empfindung ausdrücken und ist auch rhythmisch eloquent. Mit diesen Qualitäten war er das perfekte Werkzeug für Miles’ Bedürfnisse. Sein Spiel mit Dämpfer klang so richtig und unmittelbar anziehend, dass es überall Nachahmer fand.”

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel