Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Die Schalmei. Das Stichwort

Schalmei
Foto: Joan – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7820273

Die mittelalterliche Schalmei war eine Nachfahrin der arabisch-türkischen Zurna und des altgriechischen Aulos. Allerdings ist der Begriff “Schalmei” nicht auf das mittelalterliche Instrument beschränkt.

Das Wort “Schalmei” kommt vom griechischen “kalamos, was so viel wie “Halm” bedeutet, also: Rohrblatt. Im weitesten Sinn sind daher alle Rohrblattinstrumente – ob mit einfachem oder doppeltem Blatt – irgendwie Schalmeien. In diesem Verständnis schreibt auch der Schweizer Kinderarzt und Schalmeienforscher H.S. Herzka: “Der magische Klang der Schalmeien fasziniert die Menschheit seit dem 3. Jahrtausend v.u.Z. Ein kontinuier­licher Kulturstrom reicht von der frühen Antike über das Mittelalter zu den Schalmeienkulturen der Gegenwart, zum Jazz und zur Weltmusik” (“Schalmeien der Welt”, 2003).

Im engeren Sinn war die Schalmei (shawm, chalémie, xeremia, ciaramella usw.) das führende Rohrblattinstrument Europas im Mittelalter und in der Renaissance. Entstanden ist sie nach dem Vorbild der türkischen Zurna, die durch die osmanischen Militärorchester auch in Mitteleuropa bekannt geworden war. Wie die Zurna wurde die Schalmei aus einem einzigen Stück Holz gedrechselt, besaß ein doppeltes Rohrblatt, eine Lippenstütze, eine konische Bohrung und einen sehr lauten, obertonreichen Klang – ideal für Freiluftmusik, Prozessionen, Festlichkeiten.

Als die Ensemblemusik differenzierter wurde, hat man das Rohr der Schalmei etwas länger gebaut und die konische Bohrung abgeflacht, damit der Klang weicher tönte. Der musikalische Fortschritt in der Renaissance brachte sogar eine ganze Schalmeien-Familie hervor, die sogenannten Pommer oder Bombarden (von »bombos« = Brummen). Diese Pommer gab es in mindestens sechs Registern, wodurch die eigentliche Schalmei zum Diskant-Pommer wurde. Der Kontrabass-Pommer zum Beispiel hatte eine Länge von 3,40 Metern, seine Verlängerungsklappen wurden mit den Füßen bedient. Aus der Schalmei entwickelten sich damals auch Instrumente wie Rauschpfeife, Krummhorn, Dulzian oder Rackett. 

Schalmen wird Barock-Oboe

Erst ums Jahr 1700 wurde die »bäuerische« Schalmei zur »höfischen« Barock-Oboe verfeinert. Die Oboe bekam eine engere Mensur und eine fast zylindrische Bohrung, daher einen schmiegsameren Klang. Außerdem war sie in drei Teile zerlegbar, hatte eine Klappenmechanik und erlaubte zudem das Spiel mit Lippenansatz – das waren klare Wettbewerbsvorteile gegenüber der Schalmei. Um auch die tieferen Pommer handlicher zu machen, erfand man Mehrfachbohrungen und Rohrkrümmungen – am Ende setzte sich hier das Fagott durch. In verschiedenen Volksmusikkulturen jedoch haben ursprüngliche Schalmeieninstrumente überdauert, etwa der bretonische Bombard, die katalanische Tenora oder der Piffero in den Abruzzen.

Das Wort »Schalmei« kehrt übrigens auch im »Chalumeau« wieder, einem Instrument mit einfachem Rohrblatt. Es entstand um 1690 in Nürnberg, inspirierte damals einige Komponisten wie Telemann und Graupner, wurde aber bald durch die Klarinette abgelöst. 

Schalmei = Martinstrompete

Gebräuchlich ist der Name »Schalmei« außerdem bei der neuzeitlichen Martinstrompete. Sie besteht aus einem Bündel von bis zu 16 »Signal-Trompeten« mit Aufschlagzungen aus Edelstahl. Die ersten sogenannten Schalmeienorchester entstanden um 1920 bei deutschen Turnvereinen und Feuerwehren. Populär geworden sind sie dann durch die sozialistische Arbeiterbewegung – in der DDR wurden sie sogar staatlich organisiert und im ZSO (Zentralen Schalmeien-Orchester) zusammengefasst. Was zur Arbeiter-Schalmei wurde, war vor dem Ersten Weltkrieg kurioserweise noch das Privileg des deutschen Kaisers gewesen, der die Martinstrompete (viertönig) als Autohupe (»Kaiserfanfare«) einsetzte. Heute kann man Schalmeien-Orchester auch vermehrt als Fastnachts-Kapellen hören. 

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer, Das Flötenkonzert, Die Wagnertuba, Die Mundharmonika, Das Bathyfon