Orchestra | Von Hans-Jürgen Schaal

Türkische Musik. Stichwort

Türkische Musik
Mehterhâne, Bild von 1839, hinten Mitte Davul-Spieler, hinten rechts Zurna-Spieler. Der rotgekleidete zurna-Spieler innerhalb des Kreises ist einer der beiden „Kapellmeister“.

Wie moderne Musik aus der Türkei klingt, kann man heute an jedem Döner-Stand hören. Zu Mozarts Zeiten meinte man mit “türkische Musik” aber etwas ganz anderes: den Klang der Militärorchester.

In der traditionellen Musik der Türkei werden zwei große Strömungen unterschieden. Die eine ist der arabisch-persische Einfluss, der das Osmanische Reich geprägt hat. Dazu gehören die arabisch verwurzelten Tonleitern (Makam) oder die Improvisations-Teile ohne Tempo (Taksim). Diese “klassische” türkische Kunstmusik wird in der Türkei auch auf Konservatorien gelehrt. Typische Instrumente sind neben Oud (Laute) und Kanun (Zither): die Ney (Längsflöte) und die Darbuka (Bechertrommel). 

Eine zweite große Strömung kommt aus den verschiedenen Volksmusiken des türkischen Territoriums, das ja von Thrakien (Balkan) bis Südost-Anatolien (Naher Osten) reicht. Mit der Republikgründung 1923 wurden diese Volksmusiken als die eigentlich türkischen Traditionen besonders aufgewertet. Typische Instrumente sind neben Saz (Laute) und Mey (Duduk): die Zurna (Kegeloboe) und die Davul (Zylindertrommel).

Kern des traditionellen Militärorchesters

Zurna und Davul bildeten auch den Kern des traditionellen Militärorchesters (“Mehterhâne”) in der osmanischen Zeit. In ihm spielten bis zu 16 Zurna-Bläser und ebenso viele Davul-Trommler. Vielfach wurde die Kampfkraft des osmanischen Heeres auf die Wirkung dieser großen, mindestens 54-köpfigen Orchester geschoben. Der grelle, laute, schwirrende Ton der Zurnas und der mächtige Rhythmus der vielen Trommeln konnten die gegnerischen Soldaten beeindrucken und verängstigen. Daher drängten westliche Feldherren darauf, ihr Militär mit ähnlichen Mitteln auszustatten. Nach dem Frieden mit den Türken (1699) begannen die europäischen Fürsten, ihre Armee-Musik zunehmend mit hohen Blasinstrumenten und viel Perkussion aufzustocken. Polen bekam vom Sultan eine türkische Militärkapelle geschenkt, Russland stellte sich selbst eine zusammen, Österreich gründete eine Imitation (das Pandurenkorps) und auch Preußen engagierte türkische Musiker.

Speziell in Wien, das zweimal von den Osmanen belagert gewesen war, kam alles Türkische (nicht nur das Caféhaus) im 18. Jahrhundert groß in Mode. Kompositionen “alla turca” (nach türkischer Art) findet man bei Haydn, Mozart und ihren Zeitgenossen reihenweise. Im allgemeinen Sprachgebrauch hieß aber vor allem die neue militärische Marschmusik (wie sie uns vertraut ist) “türkisch”. Charakteristisch dafür waren die lauten Bläser (Trompeten, Klarinetten, Piccoloflöten) und der betonte 2/4-Rhythmus mit viel Perkussion (Pauke, große Trommel, Becken, Triangel, Schellenbaum). Fälschlicherweise sprach man dabei auch von »Janitscharenmusik«. Die Janitscharen (die keineswegs musizierten) der bunteste, auffälligste und populärste Teil im türkischen Heer waren. 

Die türkische Musik wird vor der Hauptwache gegeben.

Der Musikreisende Charles Burney schrieb, in einer belgischen Militärkapelle habe er 1773 »drei normale und eine große Janitscharen-Trommel« gesehen. Die Ankündigung eines Wiener Militärkonzerts lautete 1796: “Die türkische Musik wird vor der Hauptwache gegeben.” 1799 wunderten sich die Kritiker über die “türkischen Instrumente” in Haydns 100. Sinfonie. Sie sprachen vom “Einfallen der vollen Janitscharenmusik” – das Werk bekam dann auch den Beinamen “Militärsinfonie”. Ein Zusatz­pedal im Klavier, das Triangel- und Beckentöne auslöste, hieß um 1800 “Janitscharenzug”. 1813 beschrieb Beethoven die Perkussions-­Instrumente in seiner Komposition »Wellingtons Sieg« als »vollständige türkische Musik«. In Preußen nannte man Militärmusiker noch lange Zeit »Janitscharen«. Und noch im 20. Jahrhundert hießen die Schlagwerker des Sinfonie-Orchesters im Musikerjargon die »türkische Abteilung«.

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer, Das Flötenkonzert, Die Wagnertuba, Die Mundharmonika, Das Bathyfon, Die Musette